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BBC Scottish Symphony Orchestra – gVe Konzert
27. Oktober 2020 | 20:00 - 22:00
Dienstag, 27. Oktober 2020, 20 Uhr
Programmeinführung 45 Minuten vor Konzertbeginn
Heinrich-Lades-Halle, Großer Saal
Rathausplatz 1, 91052 Erlangen
ZAC-Rabatt
Musik verleiht Flügel! Das gilt für Alice Sara Ott im besonderen Sinne: Die zierliche Deutsch-Japanerin hat den Flügel zu ihrem symbiotischen Partner gemacht, dem sie mit erstaunlicher Kraft die wunderbarsten Töne entlockt.
BBC Scottish Symphony Orchestra
Alice Sara Ott, Klavier
Thomas Dausgaard, Leitung
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 6 A-Dur
Die sushisüchtige Starpianistin
„Ich würde den Flügel gerne umarmen“, sagt die deutsch-japanische Pianistin Alice Sara Ott, „aber das geht physisch leider nicht“, bedauert sie. Nein, das geht bei der zierlichen Deutsch-Japanerin, die in München aufgewachsen ist, wirklich nicht. Die symbiotische Verschmelzung klappt jedoch in klanglicher, in klaviertechnischer Hinsicht hervorragend: Da überzeugt die 32-Jährige mit verblüffender Perfektion. Kraftvoll und flink sind ihre durchtrainierten, schmalen Finger mit der Tastatur verbunden und das ist auch sichtbar, spürbar. Die Hände trainiert sie mit ungewöhnlichen Methoden: „Ich mache ständig etwas mit den Händen.“ So faltet sie in rasender Geschwindigkeit Origami-Figuren und erzählt dabei lebhaft. Unmittelbar vor ihrem Auftritt auf der Bühne knetet sie – ebenfalls in Hochgeschwindigkeit – den Rubik-Würfel durch: „Der macht mich locker und beweglich“, erklärt sie lachend, „denn im Gegensatz zu den meisten anderen Instrumentalisten haben wir Pianisten unmittelbar vor dem Bühnenauftritt kein Instrument zur Verfügung.“
Ihre „Sushi-Sucht“ – neben Schokolade und edlem Whiskey – hat nicht nur mit dem Gaumen, sondern auch mit den Händen zu tun. Sogar mit verbundenen Augen beherrscht sie die Kunst des Füllens, des Rollens der japanischen, lukullischen Kunstwerke.
Dennoch möchte sie ihre Charaktereigenschaften und Vorlieben an „keine Nationalität“ gebunden sehen. Geistig und künstlerisch frei will sie sein.
Erstaunlich ist auch ihre Übehaltung im halben Lotussitz auf dem Klavierhocker, zumindest solange sie ohne Pedal übt. Meistens spielt sie barfuß.
Ihre „Wunderkind“-Karriere nahm – im Gegensatz zu der ihrer ebenfalls pianistischen, jüngeren Schwester Mona Asuka (sie begann mit zwei Jahren) – „erst“ mit vier Jahren ihren rasanten Lauf über Wettbewerbe, hochrangige Auszeichnungen und Preise. Die Bezeichnung „Wunderkind“ hört Alice Sara Ott ungern, denn sie wurde von der Mutter (einer Pianistin) nie zum Klavierspielen gezwungen: „Kreativität kann nur entstehen, wenn das freiwillig geschieht“, sagt die muntere Pianistin. Und kreativ sind ihre Programme, ihre Aufnahmen, ihre Stückauswahl: Sie zeichnen sie nicht nur im klassischen Repertoire als interessante und brillante Pianistin aus, sondern auch mit selbst arrangierten Samplern, wie einer Klavierfassung von Strawinskys „Sacre“ und Rimsky-Korsakows „Scheherazade“ . Sie liebt es präzise, rhythmisch zupackend, auch jazzig vertrackt, gern zusammen mit dem Pianisten Francesco Tristano, zu musizieren und zu improvisieren. Das hat Spannung und Kraft, grandiose Spielfreude.
Im Februar dieses Jahres gab die Pianistin, die sich als „hellen Charakter“ bezeichnet, ihre Erkrankung an „Multipler Sklerose“ bekannt. Eine Welt sei für sie zunächst zusammengebrochen. Doch nun macht sie weiter, voller Elan und Zuversicht:
„Genauso wie ich mir sicher bin, die passende Therapie und den richtigen Ausgleich im Alltag zu finden, so bin ich auch voller Zuversicht, dass ich mein Leben wie bisher weiterführen werde. Ich freue mich sehr auf die kommenden Konzerte und Projekte. (…) Manchmal führt einen das Leben auf einen unerwarteten Pfad und ich stehe erst ganz am Anfang dieses neuen Weges. Dennoch glaube ich, dass es an uns liegt, was wir daraus machen.“
In Erlangen ist Alice Sara Ott zusammen mit dem fantastischen BBC Scottish Symphony Orchestra unter dem dänischen Dirigenten Thomas Dausgaard mit Beethovens drittem Klavierkonzert zu erleben. Es ist eines von Sara Otts „Paradewerken“ und passt als weiteres pianistisches Highlight perfekt ins „Beethoven-Jahr“ des gVe!
Text: Johanna C. Wilhelmi