Igor Levit – gVe Konzert
28. Januar 2025 | 19:30 - 21:30
Dienstag, 28. Januar 2025, 19:30 Uhr
Programmeinführung 45 Minuten vor Konzertbeginn
Heinrich-Lades-Halle, Großer Saal
Igor Levit – der künstlerisch und politisch offene Freidenker
Viele Erlanger werden sich noch an Igor Levits Klavierabend in Erlangen im März 2022 erinnern: Das Konzert war damals wegen der Coronaauflagen verschoben worden, und Levit spielte zum Ersatztermin ein abgeändertes Programm mit den drei letzten Beethoven-Sonaten: Levit war gesundheitlich beeinträchtigt, spielte dennoch. Mit starken Rückenschmerzen, immer wieder schulterkreisenden Lockerungsübungen erntete er für diesen qualvollen, bewundernswerten Einsatz unter erschwerten Bedingungen begeisterten Beifall. Igor Levit versprach damals, das ursprünglich geplante, konditionell herausforderndere Beethoven-Programm nachzuholen.
In dieser Saison ist es so weit! Levit hält Wort und spielt Ende Januar 2025 das damals vorgesehene Programm mit Beethovens Sonaten Nr. 2, Nr. 7. Die kräftezehrenden pianistischen Highlights folgen mit der berühmten „Pathétique“ und der technisch äußerst schwierigen „Waldstein-Sonate“.
Viel hat sich bei Levit in den vergangenen zwei Jahren getan:
Levit ist nicht nur einer der bekanntesten großen Pianisten unserer Zeit, er ist vielleicht der eloquenteste, politisch aktive Pianist der Gegenwart. Viele Diskussionen, harte Auseinandersetzungen und Eklats gab und gibt es immer wieder um den jüdischen Künstler und äußerst aktiven Nutzer der sozialen Medien, der den ECHO KLASSIK aus Protest zurückgab.
Levit, der sich als „Mitteleuropäer durch und durch“ bezeichnet, reagierte „versteinert“ auf das Massaker der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. In einem Interview gesteht er, dass er sich damit „persönlich angegriffen“ fühle. Immer wieder reist er nach Israel, spricht mit den Menschen dort. Nach dem Hamas-Massaker spielte Levit Benefizkonzerte für die Hinterbliebenen der Opfer. Levit nimmt kein Blatt vor den Mund, kämpft mit deutlichen Worten gegen Antisemitismus generell und speziell in Deutschland auf Demos, in Talkshows, Zeitungen.
Warum macht er das? „Die Eindrücke und Gespräche in Israel waren so schlimm, niederschmetternd und wunderschön zugleich. Das habe ich zu verarbeiten. Ich kann den Menschen gerade mal zuhören, Musik spielen.“ Niederschmetternd findet er vor allem die „Empathielosigkeit und Aggression“, die er unmittelbar nach dem Hamas-Massaker in Berlin und in anderen Städten Deutschlands erlebte. Auch in Kulturkreisen trifft er auf diesen Antisemitismus und Desinteresse zu diesem Thema. Levit ist darüber ebenso entsetzt wie seine vielen jüdischen Freunde, Künstler aus aller Welt:
„Ich bin deutscher Staatsbürger, mag diese Demokratie, den Artikel 1 des Grundgesetzes. Ich bin gern hier. (…) Aber was bedeutet der Aufruf ´Tod den Juden!´ auf den Straßen? Es ist der Tod des Artikel 1 des Grundgesetzes! Wenn Empathielosigkeit und Phlegma diesen Staat bestimmen, dann müssen viele hier dieses Land verlassen. Mein Vertrauen in Deutschland ist diesbezüglich ziemlich zerstört.“
Die Musik, sein künstlerisches Dasein nutzt Levit als übergeordnete Instanz.
In der Saison 2023/24 spielte er viel Brahms und Bartók, Bach. Beethoven bleibt der Komponist, der ihn bei den „wichtigsten großen Schritten“ seines Lebens begleitet hat: „Beethovens Musik ist zeitlose Musik, nicht nur dahingehend, dass sie immer lebendig und aktuell ist. Es ist Musik, die in ihrer Unmittelbarkeit jeden Menschen berührt. Beethovens Klaviersonaten sind im Grunde Zukunftsmusik. Sie bedeuten mir deshalb so viel, weil sie auch mein Leben seit über 20 Jahren sind.“
Ist das auch noch so, wenn man die 32 Sonaten so oft gespielt, moderiert, kommentiert hat? Interpretatorisch wird Levit – so seine Einschätzung – „immer freier, immer sicherer, je öfter ich ein Stück spiele. Es wird mir nie langweilig. Wenn dem so wäre, würde das als erstes das Publikum merken. Das wäre der Tiefpunkt meiner Karriere, das darf nicht passieren! Je häufiger ich ein Werk spiele, umso tiefer steige ich ein.“ Dennoch räumt Igor Levit eine Schwierigkeit ein: Die Verpflichtungen für Konzerte mit den Agenturen laufen oft zwei bis drei Jahre im Voraus: „Da weiß ich manchmal nicht, ob ich da nicht ganz woanders stehe, andere Werke gerade im Brennpunkt habe. Da sind wir vom ´freien Künstler´weit entfernt, aber anders funktioniert der Betrieb nun einmal nicht.“ Levit nimmt sich jedoch – aus künstlerischen Erwägungen – im Zweifelsfall die Freiheit, ein Programm abzuändern, ja, manchmal auch, nachdem dieses schon gedruckt ist. Das dürfte jedoch beim Erlanger Konzert mit seiner Vorgeschichte und seinem zentralen Bezug zu Beethoven kaum der Fall sein.
Text: Johanna Wilhelmi