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Orchestre National de Lille – gVe Konzert
8. November 2022 | 20:00 - 22:30
Dienstag, 08. November 2022, 20 Uhr
Programmeinführung 45 Minuten vor Konzertbeginn
Heinrich-Lades-Halle, Großer Saal
Nemanja Radulović – der sanfte Wilde auf der Geige.
Bereits vor drei Jahren begeisterte der exzentrische Geiger das Erlanger Publikum. Der serbische Exzentriker mit den langen Rastalocken rockte damals – zusammen mit seinen kongenialen musikalischen Mitstreitern Ksenija Sidorova, Laure Favre Kahn und Andreas Ottensamer – in der Radulović-Show die Erlanger Lades-Halle. Diesmal nun werden Sie den im Gespräch freundlichen, ja sanften Virtuosen konventioneller, aber keinesfalls langweiliger erleben – als Solisten mit dem Orchestre National de Lille. Khatchaturians Violinkonzert ist dem französisch-serbischen Geigerstar mit seinen folkloristischen Reminiszenzen, dem Sentiment im langsamen Satz und der orientalischen Thematik im Finalsatz quasi auf den Leib geschrieben.
Der serbische Geiger Nemanja Radulović, der seine Wahlheimat schon vor vielen Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern in Paris gefunden hat, ist seinen Wurzeln treu geblieben: Daher wählte der 37-Jährige für seine 2018 erschienene CD den Namen „Baïka”. Der Titel bedeutet auf Serbisch „Geschichte“. Und das ist es, was Radulović auszeichnet und abgrenzt von anderen Geigerinnen und Geigern seiner Generation: Nemanja wählt ein Repertoire, das viel mit seiner ehemaligen Heimat, mit dem Orient, mit unterschiedlichen Stilen und Spielweisen zu tun hat. Oder wie er selbst sagt: „Wenn ich als Künstler eine Mission habe, dann diese: Ich möchte das, was ich am meisten liebe, mit allen teilen”. So bringt Radulović klangsinnlich und kraftvoll die musikalischen Geschichten zum Klingen und macht seiner Mission dabei alle Ehre.
So ursprünglich, folkloristisch, frei, modern dieser Künstler wirkt, er hat das strenge, klassische Studium, die großen Wettbewerbe, die seit vielen Jahren weltweiten Tournee-Reisen äußerst erfolgreich durchlaufen. Daran führt auch bei größter Musikalität kein Weg im Klassik-Business vorbei. Seine Persönlichkeit und sein Geigenrepertoire zieht neue Zuhörer aller Altersgruppen, verschiedenster Herkunft und Interessenlagen an. Das ist nicht nur äußerlich gemacht mit Gothic-Styling oder Crossover-Konzerten, sondern vieles ist – wie er selbst sagt – vom erlebten Jugoslawienkrieg stark beeinflusst: Musik war immer das Lebenselixier für ihn und seine Familie, in glücklichen Zeiten und in den schwierigen Jahren der Balkankriege: „Meine Mutter war Ärztin. Sie leistete humanitäre Arbeit an der Front, rettete Menschenleben, und so war der Krieg für uns sehr präsent“, erinnert sich Radulović. „Die Musik half uns, ein normales Leben aufrechtzuerhalten, und sie schenkte uns echtes Glück. Damals erkannte ich erstmals die Macht von Musik. Ich habe das nie vergessen.“
Radulović ist überzeugend in seinem Spiel, seiner mühelosen Technik, seinem süffigen und bisweilen exaltierten Geigenton, aber eben auch in seiner Persönlichkeit, in seiner Präsenz mit den Musikerkollegen, den Dirigenten und zum Publikum. Und es gelingt ihm immer, sein künstlerisches Ziel zu vermitteln: „Ich will einfach, dass die Menschen durch meine Musik echte Gefühle empfinden.“
Mit dem Orchestre de National de Lille und seinem Chefdirigenten Alexandre Bloch pflegt der Wahlfranzose Radulović eine intensive musikalische Verbindung. Es trifft sich gewiss gut, dass der musikalische Leiter Alexandre Bloch auch passionierter Opern- und Musiktheaterdirigent ist. Da ergibt sich mit mit den beiden anderen Orchesterwerken, Claude Debussys „Nachmittag eines Fauns“ und Berlioz´ „Symphonie fantastique“, durch die musikalische Intensität, eine lebendige, magisch-märchenhafte Klang- und Bilderwelt bis hin zur Hexenphantasmagorie. Das Erlanger Publikum darf sich auf einen fantasievollen, farbenreichen und klangvollen Konzertabend freuen. Tauchen Sie ab in eine andere Welt!
Text: Sabine Kreimendahl