Bundesjugendorchester – gVe Konzert

Bundesjugendorchester

Jugendliche, Schüler zwischen 14und 19 Jahren, sollen Gustav Mahlers neunte Sinfonie spielen? Und das soll klingen, soll die Dimensionen dieser vieldeutigen, geheimnisvollen Sinfonie, für manche Exegeten Mahlers „große Vision des Scheiterns“, auffächern? Überzeugen Sie sich, dass die jungen Menschen des Bundesjugendorchesters – so wie es die Satzung zur Aufnahme vorschreibt – „die besten Musikerinnen und Musiker Deutschlands dieser Altersgruppe sind.“

Mit drei intensiven Arbeitsphasen pro Jahr von jeweils drei Wochen reisen die BJO-ler aus ganz Deutschland zu ihrem Probenort an, wo sie sich unter Leitung erfahrener Dozenten zunächst in kleinen Gruppen dem aktuellen Repertoire widmen. Ob genügend Talent und technische Fertigkeiten auf dem Instrument vorhanden sind, müssen die jungen musici bei einem Probevorspiel beweisen. Sodann wird die Leitung des Gesamtorchesters durch den jeweiligen Dirigenten fortgesetzt. Kurz bevor es auf Konzertournee geht, stoßen die Solisten zu den Proben. Danach beginnt mit einer zehntägigen Konzerttournee im In- und Ausland der zweite Teil der Arbeitsphase.

Fast 4.000 Jugendliche haben in den 54 Jahren des Orchesterbestehens (seit 1969) teilgenommen, waren Botschafter für Deutschland. Ungebrochen ist nach wie vor der Elan des Orchesters. Der damalige erste Dirigent Volker Wangenheim erinnert sich:
„Es entstand sofort, schon von den ersten Tagen an, eine Spontaneität und Begeisterung unter den jungen Menschen, die man im Berufsorchester gegebenerweise gar nicht erreichen kann und vorfindet.“

Für Dirigenten ist dieser hohe Anspruch mehr als reizvoll, um das junge Orchester zu leiten: Unter den über 70 Dirigenten haben bereits Herbert von Karajan, Kurt Masur, Gustavo Dudamel oder Kirill Petrenko mit den jungen Musikerinnen und Musikern musiziert. Seit 2018 ist Sir Simon Rattle Ehrendirigent des Orchesters. Die Urkunde nahm er tief gerührt entgegen. Simon Rattle sieht im BJO „unsere Zukunft“. Motiviert, engagiert und voller Leidenschaft, das sind wahrlich Gründe genug zur Hoffnung! Hinzu kommen die Freude, die soziale Gemeinschaft mit Gleichgesinnten.
Seit 2013 übernehmen die Berliner Philharmoniker die musikalische Patenschaft. Das ist nicht nur lehrreich für die angehenden jungen Profis (83 Prozent der BJO-Mitglieder wählen die professionelle Musikerlaufbahn, so eine Statistik), sondern ist auch eine Auszeichnung, eine reizvolle Aufgabe für beide Seiten, eine Win-win-Situation.
Tabea Zimmermann, Sabine Meyer, Christian und Tanja Tetzlaff finden sich unter den ehemaligen Mitgliedern mit heute prominentem Namen. Es versteht sich, dass diese Ehemaligen nun auch als berühmte Solisten mit dem Orchester konzertieren.

Der 43-jährige Alexander Shelley, von 2009 bis 2017 Chefdirigent der Nürnberger Symphoniker, hat das BJO schon mehrfach geleitet und wagt sich im gVe-Konzert mit dem jungen Orchester an Gustav Mahlers neunte Sinfonie. Es ist ein umstrittenes Werk: Einige Exegeten werfen Mahlers Denken darin Diskontinuität vor. Stilistisch gibt es große Steigerungen, jähe Abbrüche, abrupte Klangfarbenwechsel. Die Einleitung der Neunten nimmt mit ihrer quasi seriellen Haltung Verfahren der Wiener Schule vorweg. Alban Berg empfand das Werk als „das herrlichste, das Mahler geschrieben hat.“

Es wird einerseits eine spannende Herausforderung für das junge Orchester sein, andererseits wird die Jugendlichkeit sich mit emotionaler Beweglichkeit, Entdeckerfreude und gestalterischem Ehrgeiz Mahlers Welt nähern. Für das Publikum bedeutet das einen intensiven Gustav-Mahler-Abend, so nur selten in Erlangen zu erleben!

Text: Johanna Wilhelmi