Klavierabend (Rudolf Buchbinder) – gVe Konzert

Rudolf Buchbinder

Der Wiener Pianist Rudolf Buchbinder ist einer der berühmtesten Künstler unserer Zeit. Er hat vermutlich auch die meisten österreichischen Orden und Auszeichnungen erhalten. Mit 76 Jahren unternimmt er weiterhin ausgedehnte Konzerttourneen, ist nach wie vor bei hochkarätigen Orchestern angefragt. Wie hält sich ein Pianist bei der weltweit immer größer werdenden Konkurrenz so lange am hart umkämpften Pianistenhimmel? Die Antwort liegt auch in seinem unermüdlichen Ehrgeiz, seinem künstlerischen Bestreben begründet.

Es ist ein überraschend nüchternes Statement, wenn einer, der so lange ganz oben in der Pianistenliga spielt, sagt: „Ich strebe an, am Ende meines Lebens den Höhepunkt meiner pianistischen Laufbahn zu erleben. Natürlich weiß ich nicht, wann das sein wird … Eigentlich schade! In meinem Beruf hat man nämlich in Wahrheit nie etwas erreicht. Es gibt immer noch Steigerungen. Mein Credo: ‚Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.‘ (Sokrates)”

Buchbinder kennt den klassischen Betrieb nach 65 Jahren Berufserfahrung bestens: „International gastieren in den großen Konzertsälen so viele gute Musiker zwischen New York und Tokio: Dort muss das Publikum wissen, warum es Buchbinder hören will. Doch das genügt nicht. Für mich selbst muss ich die Erwartungen noch übertreffen.“

Wo beginnen, bei einer Musikerlaufbahn, die so kontinuierlich erfolgreich verlaufen ist?

Der Vater stirbt bei einem tödlich verlaufenden Motorradunfall noch vor der Geburt des Sohnes Rudolf. Die Musik spielt in den ärmlichen Verhältnissen der alleinerziehenden Mutter keine besondere Rolle. Der Onkel erkennt dennoch früh das Talent des kleinen Neffen und übernimmt die musikalische Obhut, reißt sich für Rudis Karriere „beide Haxen“ aus. Als Fünfjähriger wird er als jüngster Student an der Wiener Musikakademie aufgenommen. Mit zehn Jahren spielt das Wunderkind im Musikverein, wird Patenkind des Bundeskanzlers Julius Raab, der ihm den schulischen Privatlehrer zu Hause bezahlt, damit mehr Zeit zum Klavierspielen bleibt. Mit dreizehn Jahren reist er durch die Welt, glänzt in der Nachkriegszeit in Wiener Bars und Nachtlokalen mit Schlagern und Evergreens, verdient Geld dazu. Mit dem Pianisten Friedrich Gulda belegt Buchbinder zusammen die Meisterklasse in Wien. Die weltweite Karriere ist beispiellos: „Ich wohne zur Hälfte im Flugzeug und zur anderen Hälfte in Wien“, fasst Buchbinder ironisch sein Zuhause zusammen.

Seit 2007 ist Buchbinder künstlerischer Leiter des Grafenegger Musiksommers in Niederösterreich. Regelmäßig holt er – aufgrund seiner internationalen Kontakte – beste Orchester und Spitzenstars der Klassik auf die phänomenale Freilichtbühne des Wolkenturms: „Der Wolkenturm ist die beste Open-Air-Bühne der Welt, nicht überdimensioniert und vor allem nach dem Prinzip des griechischen Sprechtheaters gebaut, also eine Arena. Daher kommt die optimale Akustik. Sonst wäre eine Freiluftarena akustisch nicht so machbar wie hier.“

Zu Buchbinders Spezialitäten gehören die Klaviermarathons. Wie Gulda ist Buchbinder Enzyklopädist: Er spielt alle Klavierkonzerte Mozarts oder Beethovens an einem Tag. Es gibt eine CD-Edition mit der gesamten Klavierliteratur von Joseph Haydn. Buchbinder gilt als Beethoven-Spezialist, beschäftigt sich neben seiner Konzerttätigkeit intensiv mit Quellenforschung, auch bei Werken Mozarts und Haydns.

Seine pianistische Souveränität, die sogar den Kritikerpapst Joachim Kaiser begeisterte, erstaunt Kollegen, Kritiker und Zuhörer gleichermaßen, zumal wenn Rudolf Buchbinder erklärt, er komme mit einem Übungspensum von etwa drei Stunden täglich zurecht. Die restlichen Stunden des Tages übe er auch, aber nicht am Klavier, sondern im Kopf, scherzt Buchbinder. Vielleicht klingen daher auch seine Interpretationen ein und desselben Werks so verschiedenartig. Immer wieder scheint er Neues in den Kompositionen zu entdecken.

Buchbinder schätzt die Marke Steinway als Instrument:

„Ich mag sehr helle Klaviere, und Steinway ist unpersönlich, ohne Charakter. Bösendorfer oder Bechstein haben ihren eigenen Charakter, spezifischen Klang. Das stört mich. Ich möchte den Klang machen und nicht das Instrument. Der Steinway gibt das wieder, wie man ihn behandelt. Ich vergleiche ihn mit einer Frau. Ich brauche das Strahlen, für das Piano muss das bis in die letzte Reihe reichen.“

Studioaufnahmen lehnt er schon lange ab: „Im Studio fehlt die Spontaneität, die Emotion, und es fehlt die Nervosität. Die Spannung, dieses Kribbeln und das Publikum fehlen. Das Live-Erlebnis ist etwas ganz anderes.“

Das gVe-Publikum kann sich freuen, wenn es den charmanten, virtuosen und erfahrenen Österreicher Buchbinder gleich zweimal in dieser Saison erleben darf.

Gleich zum Konzertauftakt der Saison mit einem exquisiten Soloklavierabend mit Bach, Beethoven und Schubert. Das krönende Saisonfinale gehört dann dem sokratischen Pianisten, der mit dem vorzüglichen Orchester der Festival Strings Lucerne einen reinen Mozart-Konzertabend gibt, solistisch spielt, partnerschaftlich leitet und die Erwartungen des Publikums mit Sicherheit erfüllt, vielleicht sogar die eigenen …

Auf jeden Fall bedeuten diese beiden Abende zweimal höchstes Niveau, musikalische Sternstunden, Spannung pur!

Text: Sidonie von Elsen